Ich sitze in einem überheitzen Raum im Jugendhaus München-Pasing. Um mich herum sitzen Menschen, die betreten auf den Boden schauen. Wer sich hier zuerst rührt scheint verloren zu haben. Ich tippe auf meinem Smartphone herum – die einzige vollwertig akzeptierte Art des asozialen Zeitüberbrückens. Hier soll also das Seminar „Imkern in der Stadt“ stattfinden? Ich hatte mit tätowierten Bärtigen und Nerdmädchen gerechnet – urban beekeeping soll doch so hip sein. Stattdessen sitze ich zwischen stummen Altachtungsechzigern und ernsten ÖDP-Wählern – als offenbar einzige der von mir eigentlich erwarteten Gattung, entsprechend skeptisch werde ich beäugt. „Nehmet Euch ebbes zum trinken, Kuchen isch auch da, mir fanget dann jetzt an!“, klingt es in weichem Schwäbisch durch den Raum. Rainer, der Seminarleiter, ist da und beginnt auch gleich mit seinem Vortrag, der mich an diesem trüben Samstagmittag in die Welt des Biens, dem Superorganismus in dem Bienen in ihrer Gemeinschaft leben, einführt. Und schon nach wenigen Worten kommt Bewegung in die müde Gruppe, werden die Zuhörer interessiert und die ersten Vorbehalte gegenüber den Unbekannten fallen ab – sitzen hier doch Gleichgesinnte, die mehr über Bienen und deren Haltung lernen wollen.
Der Bien
In einem Bienenvolk gibt es unterschiedliche Bienen: Arbeitsbienen, Drohnen und die Königin. Arbeitsbienen übernehmen während ihres Lebens vielfältige Aufgaben – Putzen, Wabenbau, Brutpflege, Wächterdienst und Honigsammeln – jeder Lebensphase sind explizite Aufgaben zugewiesen: Die ersten drei Lebenstage reinigt die junge Arbeitsbiene die Brutzellen und bereitet sie für die nächste Eiablage vor. Am vierten und fünften Tag bereitet sie die Nahrung für die Larven vor, um deren Versorgung sie sich bis zum 13. Tag nach dem Schlüpfen kümmert. Tag 14 und 15 verbringt die fleißige Biene mit dem Bau von Waben und dem Verdeckeln der Brut. Die folgenden zwei Tage verbringt sie dann am Eingang des Bienenstocks als Wächterin, um schlussendlich am 21. Tag zur Flugbiene zu werden.
Drohnen dagegen haben nur wenige Aufgaben, sie sind die großen Dicken im Bien und sorgen dafür, dass Königinnen befruchtet werden. Den Rest ihres Lebens fressen sie den Arbeitsbienen und der Königin die Haare vom Kopf und nach der Paarung mit einer Königin ist ihrem Leben auch schon ein Ende gesetzt. Die Königin selber herrscht natürlich über ihr Volk und legt pro Tag bis zu 2.000 Eier.
Arbeitsbiene, Drohne oder Königin?
Wer entscheidet nun aber darüber, wer zur Arbeiterin und wer zur Königin wird? Das Volk? Nicht ganz – es ist zum einen die Wabengröße und zum anderen das Futter, die über die Entwicklung der Biene entscheiden. In kleinen Waben entwickeln sich Arbeitsbienen, in großen Waben entwickeln sich Drohnen. Königinnen dagegen entwickeln sich in Weiselzellen, bis zu zwei Zentimeter großen Zellen, die vertikal nach unten wachsen. Das normale Futter für Arbeitsbienen und Drohnen besteht aus Pollen und Honig, die Königin wird dagegen mit Gele Royale gefüttert, einem Sekret aus der Futterdrüse der Biene, was die Entwicklung der Königin um 5 Tage verkürzt – von der Larve bis zur fertigen Königin dauert es nur 16 Tage, Arbeiterbienen schlüpfen dagegen erst nach 21 Tagen, Drohnen brauchen ganze 24 Tage.
Der Bienenstock, die Beute
Wo wohnt die Biene eigentlich? In einem Bienenstock. Klar. Imker sprechen hier allerdings von der Beute, der Bienenwohnung also. Hier gibt es unterschiedliche Arten, Klotzbeuten, Korbbeuten, Lagerbeuten oder Magazinbeuten. In Lagerbeuten werden Rähmchen eingehängt, in denen die Bienen ihre Waben bauen. Je nach Beute und Herangehensweise ans Bienenhalten können Imker steuern, wie groß die Zellen in den Waben werden sollen (und somit, ob eher Arbeitsbienen oder Drohnen produziert werden), wo sich das Volk aufhält, wo die Pollen und wo der Honig gelagert werden.
Mit der Biene durch das Jahr
Das Bienenjahr beginnt etwa im Februar, wenn die Bienen mit der Reinigung der Beute und der Brut beginnen. Die Brut nimmt im März/April zu, der Bien bereitet sich also zur Schwarmzeit vor. Während dieser Zeit verlässt die Königin den Bien und nimmt etwa die Hälfte ihres Volkes mit. Der Schwarzprozess ist ein natürlicher Vorgang: wenn die Weiselzellen so vorbereitet sind, dass sich das Volk sicher sein kann, dass eine neue, gesunde Königin produziert wird, verlassen sie die Beute und lassen sich in der Umgebung nieder. Fällt dem Imker nicht auf, dass die Bienen ausschwärmen, so werden die Bienen herrenlos – kurioserweise wird das alles im BGB geregelt. So sagt §961, Eigentumsverlust bei Bienenschwärmen: „Zieht ein Bienenschwarm aus, so wird er herrenlos, wenn nicht der Eigentümer ihn unverzüglich verfolgt oder wenn der Eigentümer die Verfolgung aufgibt.“ Bei der Verfolgung des Schwarms hat der Imker übrigens weitere Sonderrechte, §962 BGB sagt: „Der Eigentümer des Bienenschwarms darf bei der Verfolgung fremde Grundstücke betreten. Ist der Schwarm in eine fremde nicht besetzte Bienenwohnung eingezogen, so darf der Eigentümer des Schwarmes zum Zwecke des Einfangens die Wohnung öffnen und die Waben herausnehmen oder herausbrechen.“ Entstehenden Schaden hat man allerdings zu ersetzen. Gegen Juni erreicht das Volk seinen Höhepunkt, bis zu 50.000 Bienen arbeiten nun in und um die Beute herum. Die Flugbienen sind auf ihren Sammelflügen unterwegs, für ein Glas Honig muss ein Weg von etwa 120.000 Kilometern zurückgelegt werden. Im Juli endet die Brutzeit, das Bienenvolk schrumpft auf etwa 10.000 Bienen, ab Oktober tritt dann die winterliche Ruhe ein.
Varroa-Milben, Monokulturen, Neonicotinoide
Was bisher nach landlüsterner Romantik klang, ist ein wahres Problem: Der Biene geht es schlecht. Varroa-Milben, pestizidverseuchte Monokulturen und Neonicotinoide wie Glysophat sorgen dafür, dass der Bienenbestand geschädigt wird. Die Varroa-Milbe ist dabei ein Problem, das man kontrollieren muss, weltweit gibt es kein Varroa-freies Bienenvolk mehr. Varronen leben in Waben und saugen die Hämolymphe der eingenisteten Larven aus. Überlebt die Larve das, wird die ausgeschlüpfte Biene wesentlich kleiner sein, Deformationen aufweisen und ein kürzeres Leben haben als ein gesundes Tier. Der Befall des Volkes muss daher dauern überwacht und im Zweifel auch bekämpft werden – ein zu starker parasitärer Befall kommt einem Todesurteil für Völker gleich.
Monokulturen sind vor allem deswegen problematisch, weil sie ein eingeschränktes Nahrungsangebot für Bienen darstellt oder, wie im Fall von Mais, überhaupt kein Nahrungsangebot für Bienen sind. Und so wie einseitige Ernährung für den Mensch ungesund ist, ist sie es auch für die Biene. Dazu kommt, dass Tiere, die sich in Bereich stark landwirtschaftlicher Monokulturen befinden, durch die dort eingesetzten Pestizide und Neonicotinoide stark geschädigt werden. Glysophat zum Beispiel führt dazu, dass Bienen ihre Arbeit so verrichten, wie ein betrunkener Mensch – die Tiere sind verwirrt, verlieren ihren Orientierungssinn, können den Schwänzeltanz nicht mehr richtig ausführen und schwächen das ganze Volk somit nachhaltig.
Das Imkern und ich
Warum genau sollte man selber mit dem Imkern anfangen? Die Menge an Bienenvölkern in Deutschland ist in den vergangenen Jahren stark gesunken. 2015 gab es etwa 700.000 Völker, eine Menge von 1,4 Millionen würde benötigt werden, um eine ausreichende Bestäubung sicherzustellen. Außerdem werden Imker immer älter, der Nachwuchs, der die Arbeit der Bienenpflege in den kommenden Jahren übernehmen kann, fehlt. Dabei denke ich, dass der Ansatz des Imkerns überdacht werden sollte: Anstatt auf Honigertragsmaximierung zu setzen, sollten die Tiere so gehalten werden, dass sie gesund und natürlich durch das Jahr kommen und so den Erfolg der landwirtschaftlichen Produktion ermöglichen. Werde ich mit dem Imkern anfangen? Vielleicht. Einen guten Standort hätte ich bereits. Und so lange ich mir noch nicht ganz sicher bin, bepflanze ich meinen Balkon zumindest bienenfreundlich.
Das will ich auch!
Wenn auch Ihr Euch für das Imkern interessiert, dann kann ich Euch auf jeden Fall das Orientierungsseminar „Imkern in der Stadt“ von der Bienenbox empfehlen. Diese Empfehlung ist nicht gesponsert, ich habe dieses Seminar zu Weihnachten von meinem liebsten Cousin T. und der lieben L. (♥) geschenkt bekommen und habe nicht nur viel über Bienen und Imkern, sondern auch über die kontroversen Diskussionen und die Fürs und Widers des Imkerns in der Stadt gelernt.
Ein wirklich interessanter Beitrag. Auch wenn ich keinen Platz zum Bienenzüchten habe, werd ich dieses Jahr noch ein kleines bisschen mehr drauf achten, meinen winzigen Balkon reich mit „leckeren“ Blumen und blühenden Kräutern zu bepflanzen um mich bald über hoffentlich reichen Bienenbesuch freuen zu können.
Ach da freu ich mich Susanna, dass Dir der Beitrag gefällt! Ich werde es erstmal genau so halten wie Du, das ist vielleicht schon mal ein guter Schritt in die richtige Richtung :)
Oooh…so ein eigener Bienenstock wäre schon schön . Aber solange der Platz hierfür nicht da ist, muss ein bienenfreundlich bepflanzter Balkon auch bei uns reichen. LG Karin
Ja, ich finde die Idee auch schön und auch wenn sich der Arbeitsaufwand laut Peter in Grenzen hält, ist es doch schon eine große Verantwortung, die man für die vielen Tierchen hat…
Liebe Grüße!
Julia
Liebe Julia,
ein sehr schöner Artikel! Wir haben uns auch schon oft überlegt, ob wir eine Bienenbox auf unserem Balkon anbringen, haben uns aber entschlossen, damit zu warten bis wir wirklich einen Garten besitzen. Da kann man dann doch noch mehr bienenfreundlich anpflanzen.
Bis dahin versorgen wir die Wildbienen, Hummeln und Co mit ganz vielen Blühpflanzen und erfreuen uns am Gesumme und Gebrumme.
Liebe Grüße, Eva
Liebe Eva,
ich finde, dass es gut ist, wenn man sich der Verantwortung für so viele Tiere bewusst ist und sich dazu entscheidet, auf einen idealeren Standort zu warten. Und jetzt, wo man sich so langsam wieder um seinen Balkon kümmern kann, kann man doch erstmal nach den Bienenfreundlichen Pflanzen Ausschau halten :)
Liebe Grüße!
Julia
Ich lerne ja immer wieder was Neues bei dir. Danke für die Bereicherungen, auch visuell!
Danke für den tollen Artikel – ja dieses Jahr gibt es bei mir keine Geranien in den Blumenkästen, sondern Pflanzen, die für die Bienen nützlich sind. Ein Seminar möchte ich auch besuchen :) liebe Grüße Annette
[…] ich das Orientierungsseminar der Stadtbienen uneingeschränkt empfehlen kann, bin ich vom Imkerkurs des gleichen Anbieters nicht überzeugt. […]